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Im Naturpark Südschwarzwald © Peter Mesenholl
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Gemeinsames Herdenschutzprojekt läuft an

Den zunehmenden Herausforderungen durch Wolfsvorkommen und -risse in der Region wollen der Naturpark Südschwarzwald, der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband und die Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind künftig im Rahmen eines Kooperationsprojektes zum betriebsbegleitenden Herdenschutz begegnen. Dies ist auch im Sinne der Fachleute, die am Freitag, den 3. März 2023, im Kurhaus Schluchsee Einblicke in aktuelle Zahlen, Regelungen und Vorhaben gewährten.
Das Interesse an der zweiten Informationsveranstaltung zum Wolf im Südschwarzwald war nach dem neuerlichen Angriff auf ein Rind und mehrere aktuelle Wolfssichtungen groß. Der Naturpark Südschwarzwald hatte Mitglieder, Verwaltung und Presse am Freitagvormittag eingeladen, um die Entwicklungen rund um die im Schwarzwald anwesenden Wölfe zu diskutieren und den zukünftigen Umgang damit, vor allem in der Weidewirtschaft, zu thematisieren. Hierzu waren Fachleute des Umweltministeriums, des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg (FVA) sowie die Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind (EZG) vor Ort, um verschiedene Perspektiven zu beleuchten und anschließend in einen Austausch mit den Besucherinnen und Besuchern zu treten.

Die drei Projektpartner Naturpark, BLHV und Erzeugergemeinschaft gehen nun ein neues Bündnis für den Herdenschutz ein, um Tierhaltende und die Landwirtschaft gemeinsam zu unterstützen. Auf ausgewählten Flächen im Südschwarzwald werden in den kommenden vier Jahren bei zehn Pilotbetrieben geeignete präventive Herdenschutzmaßnahmen erprobt, wobei auf individuelle Lösungen gesetzt wird. Das Vorhaben soll Umsetzungshindernisse und praktische Fragestellungen klären sowie die Unterstützung der landwirtschaftlichen Betriebe optimieren. Die Bedeutung und Umsetzung des Herdenschutzes aus einem verstärkt betriebsinternen Blickwinkel weiterzuentwickeln, schafft eine neue Möglichkeit, Mitglieder der Verbände zu erreichen und diese Erfahrungen in die landesweiten Herdenschutzkonzepte zu integrieren.

Spezifische Herausforderungen im Südschwarzwald
"Die Landwirtschaft mit Rindern, Ziegen und Schafen auf dem Grünland wird im Südschwarzwald gebraucht, um die Ziele der Offenhaltung, der Artenvielfalt und der Nahrungsmittelversorgung erreichen zu können. Deshalb müssen Landwirtinnen und Landwirte umfangreiche Unterstützung erhalten – finanziell und emotional", so Landrätin und Naturpark-Vorsitzende Marion Dammann in ihren Begrüßungsworten. Der Naturpark habe es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, relevante Akteurinnen und Akteure zusammenzubringen, um hier bestmögliche Unterstützung zu generieren. Bernhard Bolkart vom BLHV weiß um die Hürden, die sich für die Weidetierhalterinnen und -halter ergeben: "Wir als berufsständische Vertretung müssen immer wieder feststellen, dass es gerade beim Zaunbau zu Problemen bei der Genehmigung, Förderung und beim Bau von wolfsabweisenden Zäunen kommt. Daher ist es wichtig, dass eine kompetente Beratung auf die Fläche kommt, besonders wenn es um Zäune für Rinder in dieser sehr herausfordernden Region geht." Markus Kaiser von der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind war es wichtig klarzustellen, dass die Umsetzung von Schutzmaßnahmen nicht aufgrund eines mangelnden Willens der Weidetierhalterinnen und -halter verzögert würden. Vielmehr spielen neben topografischen, administrativen und finanziellen Fragen weitere komplexe Strukturen hinein, die eine schnelle Umsetzung erschweren, wie zum Beispiel Überlegungen zur Wasserversorgung der Tiere, touristische Ansprüche wie die des Wander- und Wintersports, Belange der Gemeinde auf Allmendflächen sowie weitere Punkte, die zuvor abgestimmt werden müssen.

Neueste Entwicklungen erfordern klare Richtlinien und gegebenenfalls Sonderregelungen
Das gemeinsame Projekt soll dazu beitragen, Wissen über die Möglichkeiten des Herdenschutzes und der Förderung innerhalb der tierhaltenden Betriebe zu verankern, wesentliche Hemmschwellen in der Herdenschutzumsetzung zu beleuchten und abzubauen. Initiiert wurde der Zusammenschluss ebenfalls in Schluchsee, als Ergebnis einer Veranstaltung im Jahr 2021. Dass ausgerechnet in dieser Region der Wolfsrüde GW 1129m für die ersten Risse an Rindern im Land verantwortlich sein würde, war damals noch nicht vorhersehbar – ebenso nicht, dass sich in unmittelbarer Nähe ein vermeintliches Wolfspaar nachweisen lässt.
Karl-Heinz Lieber, Abteilungsleiter Naturschutz des Umweltministeriums, welches das Projekt finanziert, sprach in Bezug auf die nötigen Maßnahmen von einem "zielorientierten Pragmatismus". Grundlage für den Umgang mit dem Wolf sind die nationalen und internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen, die ihm aktuell einen starken Schutzstatus gewähren. Dennoch sieht Lieber den besonderen Stellenwert in der Beweidung, wie sie im Südschwarzwald weitestgehend praktiziert wird und versichert: "Wir kümmern uns um die Offenhaltung der Kulturlandschaft und spielen den Schutz des Einen nicht gegen den Schutz des Anderen aus." Der vollumfängliche wolfsabweisende Herdenschutz durch Zäunungen sei in der Rinderhaltung im Schwarzwald kaum realisierbar. Vielmehr ginge es darum, was den rinderhaltenden Betrieben im Herdenschutz zumutbar und in der Folge flächig umsetzbar sei. Erst wenn die "zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen" verlässlich definiert und umgesetzt seien, könne man auf eine Ausnahmegenehmigung hinwirken, falls Schutzmaßnahmen wiederholt von einem Wolf überwunden werden sollten. Der praktizierte zumutbare Herdenschutz ist die notwendige Voraussetzung für eine rechtssichere Entnahme eines Wolfes.

Verbreitung der Wölfe und weiteres Vorgehen in Kooperation
Die FVA wertet das Auftauchen eines weiblichen Wolfes und folglich auch die Paar- und Rudelbildung aus ökologischer Sicht als erwartbares Szenario für viele Gebiete in Baden-Württemberg. Dabei sei es wichtig zu erkennen, dass die Umsetzung präventiver Herdenschutzmaßnahmen unabhängig von sesshaften Einzelwölfen, Paaren oder Rudeln innerhalb der Fördergebiete notwendig sei. Im Naturparkgebiet sind aktuell zwei residente Wölfe nachgewiesen, je ein männliches Tier in der Region Schluchsee, eines in der Region Feldberg. Mit dem Nachweis der Fähe wird nun eine Paar- und Rudelbildung konkret.
Insbesondere Schafe und Ziegen bedürfen eines Schutzes vor Übergriffen großer Beutegreifer. Vor allem für deren Schutz wurden sogenannte Fördergebiete zur Wolfsprävention eingerichtet. Wölfe sind jedoch auch in der Lage, ausgewachsene Rinder anzugreifen, wie jüngst erstmals geschehen. Vornehmlich reißen Wölfe Wildtiere, insbesondere Rehe, Rothirsche und andere Huftiere. Etwa ein bis zwei Prozent ihres Nahrungsbedarfes decken sie jedoch mit Nutztieren, womit sie auch zum Problem für die Weidetierhaltung in der für Schutzmaßnahmen ohnehin herausfordernden Südschwarzwälder Landschaft werden. Maßnahmen für den Schutz von Rindern können eine kompakte Herdenführung, die Integration erfahrener, wehrhafter Tiere sowie die Anpassung des Managements bei Abkalbung und Aufzucht sein. In Einzelfällen ist auch der Einsatz von Herdenschutztieren sinnvoll. "Wir sehen es als zentral an, dass Ergebnisse aus Forschung und aus der Umsetzung anderer Länder hier unter Schwarzwaldbedingungen erprobt werden. Herdenschutzmaßnahmen bei Rindern werden nun an regionale Herausforderungen angepasst – und wir können die praktische Umsetzbarkeit intensiv begleiten", kündigt Laura Huber-Eustachi von der FVA in Bezug auf das kommende Projekt an. Ebenso in enger Abstimmung erfolgen die Überlegungen zu zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen bei Rindern, die Ende März zu einem festgeschriebenen Abschluss kommen sollen, wie die FVA ankündigt.
Finanziert wird das Projekt durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Die FVA liefert als international vernetzter Kooperationspartner fachlichen Input zu den Themen Herdenschutz, große Beutegreifer und Wissenstransfer.

Bild:
Roland Schöttle (Geschäftsführer Naturpark Südschwarzwald), Karl-Heinz Lieber (Abteilungsleiter Naturschutz des Umweltministeriums), Marion Dammann (Landrätin und Naturpark-Vorsitzende), Ronja Schütz (FVA), Markus Kaiser (Vorsitzender EZG) und Bernhard Bolkart (BLHV) blicken zuversichtlich auf das nun anlaufende Projekt. Bild: Angéle Kerdraon

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veröffentlicht: Mo, 06.03.2023
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